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56

HOMESTORY

eine Ballettschule und hat schon wesent-

lich bessere Zeiten gesehen. Davon erzäh-

len prächtige Schnitzereien und einKamin,

der sich beinahe schüchtern hinter pom-

pösen, tempelartigen Marmorsäulen und

einem opulenten Fries versteckt. Steiner-

ne Putten scheinen das Geschehen im Saal

zu beobachten. Heute langweilen sie sich.

Es sind Schulferien, die Ballettstunden fal-

len aus.

Auf dem grossen Fenster an der Stirn-

seite žiegen Bleiglas-Fledermäuse auf und

steuern ihren Teil zur Exzentrik des Saa-

les bei. An der Wand gegenüber, breit ein-

gerahmt von kunstvoll geschnitztem und

gedrechseltem Holz ist – nichts! Unwill-

kürlich fragt man sich, wessen Porträt wohl

einst hier gehangen hat und was damit ge-

schah. In den Fünfzigerjahren, erzählt Clif-

ford Lilley, habe es einigen Bewohnern der

Villa dem Vernehmen nach an Respekt vor

dem Interieur gefehlt und diese hätten ver-

schwinden lassen, was sich demontieren

liess.

“Diese Tür führt zu einem Wintergar-

ten, der aber nur als Abstellraum genutzt

wird”, erzählt Cliªord Lilley gerade. “Das

macht mich verrückt. Aber es ist ja nicht

mein Haus. Ich lebe hier nur, weil die Stadt

es mir erlaubt.” Seit mehr als

35

Jahren ist

er in der Villa Egli zu Hause. In einer Art

WG

, mit acht weiteren Bewohnern. Stets

temporär, denn die Besitzerin, die Stadt

Zürich, ist auf der Suche nach einem Käu-

fer für das denkmalgeschützte Haus am

See. “Sie reparieren, was kaputtgeht. Sonst

wissen sie aber nicht, was sie mit diesem

Haus – sie nennen es Objekt – machen sol-

len. Für uns Bewohner ist das gut.” Pläne

für eine andere Nutzung gab es immer wie-

der. Das chinesische Konsulat wollte ein-

ziehen. Die Leute im Quartier stellten sich

quer. Ein Boutiquehotel sollte entstehen.

Daraus wurde aus Kostengründen nichts.

Zurück im Treppenhaus, gähnen dem

Besucher wieder leere Rahmen entgegen,

durch die nichts als nacktes Mauerwerk

zu sehen ist. Die herrschaftliche Treppe

führt in den ersten Stock. Von dort führt

eine steilere, schmale Treppe zur Etage,

wo Cliªord sein “grünes Zimmer” hat, aus

dem klassische Musik und der betörende

Duft von Lilien dringen. “Sind die nicht

herrlich? Die hat Susannemir heutemitge-

geben.” Jeden Freitag kauft Cliªord nicht

weit von der Villa, im Blumengeschäft von

Susanne Wismer, frische Blumen für die-

sen Raum. “Es ist kostspielig, das Geld

aber absolut wert. Man würde es ja auch

sonst irgendwie ausgeben. Für Schmuck

oder Antiquitäten… Ich gebe das Geld für

Blumen aus.”

Heute steht neben demsilbern gerahm-

ten Bild seiner Mutter ein grosser Strauss

weisser Lilien undOrchideen. Sie scheinen

mit den dunkelgrünen Ranken und den

dicken, hellgrünen Rosen der Blumenta-

pete zu wetteifern, der das grüne Zimmer

seinen Namen verdankt. Sie läuft über

sämtliche Wände und die Türen der Ein-

bauschränke. Nur Fenster und Tür des klei-

nen Balkons bleiben blütenfrei.