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HOMESTORY
ohne allzu viel anzuhäufen? “Mir war
immer bewusst, dass dies eine temporä-
re Wohnsituation ist. Das hat mich da-
vor bewahrt, viel zu kaufen. Ich lebe ein
bisschen wie ein Zigeuner, wie ein Bo-
hemien. Man kauft etwas auf dem Floh-
markt, Leute geben einem Sachen oder
lassen sie hier. Wir haben überall Dinge,
die nicht uns gehören und von denen nie-
mand mehr weiss, wer sie hiergelassen
hat.” Er lacht und fügt an: “Ich bin sehr
dankbar, dass ich immer noch hier wohnen
darf. Ich liebe alte Häuser. Wo immer ich
hingehe, sehe ich mir alte Häuser an. Vor
einer Reise lese ich über den Ort, den ich
besuchen werde, und ²nde heraus, welche
Häuser man dort besichtigen kann.”
Bücher liest Cliªord Lilley abends im
grünen Zimmer, bei klassischer Musik aus
dem Radio, die Beine auf der Truhe, die als
Couchtisch dient. “Ich geniesse klassische
Musik sehr. Ballettmusik, Chopin, Kla-
vierkonzerte von Haydn, Rachmaninow,
Mozart – ich liebe das. Leider hält mich
das ganze Social-Media-Zeug, Twitter und
Facebook, immer wieder vomLesen ab.”
Er schweigt und sinniert kurz. “Als ich in
die Schweiz kam, gab es noch keine Mobil-
telefone oder Computer. Zumindest wusste
ich nichts davon.” Wie steht er zu Verän-
derung? Er zögert und meint dann: “Ich
denke, Veränderung ist ein aufregendes
Element in unseremLeben. Und das ist gut.
Wir müssen uns verändern, wir müssen in
Bewegung bleiben. Aber natürlich lieben
wir alle auch die Bequemlichkeit. Ich liebe
meine Komfortzone, hier auf meinem Sofa
oder unten in meinem Büro, wenn es mor-
gens so still ist, dass ich das Rasseln der
Yacht-Vertäuungen vom Riesbacher Hafen
her hören kann.”
Fast täglich spaziert oder radelt er am
See entlang, das iPhone stets im Kamera-
modus. “Da ist immer etwas, das meinen
Blick fängt und mich fasziniert.” Ob er
seine Fotos jemals ausdrucke oder gar rah-
me? “Nein, das tue ich nicht. Aber eines
Tages möchte ich durch alle 150’000 Fotos
auf meinem iPhone gehen. Ich weiss, dass
ich einige grossartige Shots habe. Daraus
würde ich gerne eine Ausstellung machen.
Oder ein Buch. Ich wünschte, ich könnte
mehr Zeit ²nden.” Er wird nachdenklich
und meint dann: “Aber wahrscheinlich
ist das eine Ausrede. Ich habe genug Zeit.
Es geht nur darum, sie zu nutzen.” Plötz-
lich lacht er schallend und wirft die Hän-
de theatralisch in die Luft. “Ich mache die
Wäsche, um Gottes Willen! Was für eine
Zeitverschwendung – jemand sollte das
für mich machen! Bügeln macht mir nichts
aus, dasmag ich sogar gern. Ich ²nde, es ist
therapeutisch, wenn der Dampf aus dem
Eisen schiesst – schhhhh – und es gurgeln-
de Geräusche macht. Fabelhaft!”
Seine Mutter habe ihm das Bügeln bei-
gebracht, als er ein Kind war. “Wir hatten
Schuluniformen, und ich wollte jeden Tag
ein frisches Hemd. Also musste ich meine
Hemden selbst bügeln. Und als ich Jahre
später zur Marine ging, übernahm ich ge-
gen Bezahlung das Bügeln für alle Jungs
dort.”
Wieder lacht er laut. “Lilleys Launde-
rette – ich hätte dabei bleiben sollen. Wahr-
scheinlich wäre ich jetzt Milliardär!” Den
Möchtegern-Wäscherei-Milliardär kauft
man dem Stilberater Cliªord Lilley nicht
so recht ab, der gerade erzählt, wie glück-
lich ihn seine Arbeit macht. “Das ist so
inspirierend! Das Styling muss für die Per-
son arbeiten. Dann ist sie wie verwandelt!
Mitzuerleben, wie die Persönlichkeit auf
einmal herauskommt, ist einfach grossar-
tig! Die Leute sind glücklich, weil sie fabel-
haft aussehen und sich auch so fühlen. Und
das macht mich glücklich. Das, und wenn
ich Menschen unterhalten kann.” Er lacht
und greift zur Teekanne. “Unterhalten
und glücklich machen. Ich glaube, das ist
mein Lebenszweck. Noch etwas Earl Grey,
Darling?”
LINKS
“
Ich will unterhalten!
”
Cli£ord Lilley im Treppenhaus
der Villa