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von Sauerstoª mikrooxidiert er. So wird

der Wein stabiler, in Farbe und Aromatik.

Deshalb kommen nur Weine ins Fass, die

eine gewisse Lagerkapazität haben. Einen

Zürcher Landwein beispielsweise trinkt

man im gleichen Jahr, der kommt nicht ins

Fass.”

Wenn es also nicht in erster Linie der

Geschmack ist – was unterscheidet die

Eichen aus dem Limousin von anderen

Eichen? Auf die Porendichte kommt es an,

erklärt Markus Lichtenstein: “Dadurch

dosiert man die Mikrooxidation. Die gros-

sen, traditionellen Riojas beispielsweise

werden extrem lange im Holzfass gelas-

sen, Gran Reservas bis zu fünf Jahren. Da

braucht man feinkörnige Hölzer, und ein

amerikanisches Eichenholz ist dichter.

Würde er in französischem Holz eingela-

gert, wäre derWein zu sehr durchoxidiert.”

Aberwas istdennnunmitdemGeschmack?

Ist Holzaroma völlig out? “Das ist eine

Philosophiefrage.

Starke

Holzaromen

überdecken oft die Frucht eines Weines,

klassisches Beispiel dafür sind ameri-

kanische Chardonnays. Um die Mikro-

oxidation zwar herzuführen, das Holz-

aroma jedoch zu reduzieren, arbeiten

manche Leute nur mit gebrauchten

Fässern. Denn junge Fässer geben bei Erst-

belegung viel mehr Holzaroma ab. Auch

ersetzt man Holz immer mehr durch ande-

re luftdurchlässige Materialien. Man hat

entdeckt, dass Tongefässe, also Ampho-

ren, die Mikrooxidation auch bringen kön-

nen. Oder Zement. Auch zentrifugiertes,

luftdurchlässiges Plastik habe ich schon

gesehen.”

Das heisst, für die Eichenwälder des Li-

mousin muss bald wieder ein Plan B her?

Möglich, so scheint es, wenn man Markus

Lichtenstein zuhört: “Es gibt die Tendenz

weg vom Holz.” Schuld sind die veränder-

ten Lebensumstände und die Ungeduld

heutiger Weintrinker. “Die Holzaromatik

prägt verschiedene Weine unterschiedlich.

Einen Chardonnay oder einen Schweizer

Pinot Noir prägt sie stark. Das baut sich

mit der Zeit aber ab. Das Rauchig-Specki-

ge, das die Fruchtreife übertönt, ist in den

ersten zwei, drei, vier Jahren noch da.

Nach fünf Jahren bekommt der Wein dann

eine schöne Balance. Die Tendenz ist heute

jedoch, dass wir alle Weine jünger trinken

und nicht mehr die Geduld haben, sie fünf

Jahre zu lagern. Wir planen weniger, leben

spontan, haben auch meist keine Keller

mehr und kleinereWohnungen.”

Hat sich mit den Lebensumständen

auch der Geschmack der Menschen verän-

dert? “Allgemein gehts ein bisschen weg

vom Holz, vor allem im Geschmack. Man

will die Traube und ihre Aromen möglichst

unverfälscht in der Flasche haben. Es gibt

aber auch Weinmacher, die an der Tradi-

tion festhalten. Die sagen: Ich mache das,

was mein Grossvater schon gemacht hat

und halte das hoch. Jeder Winzer und auch

jeder Konsument hat eine Idee vom Wein,

der ihm schmeckt. Darüber, was schmeckt,

kann man nicht streiten. Darüber, was gut

ist, schon.”